Die sich in den letzten Jahren häufenden Meldungen zu Patienten in Zahnarztpraxen, die nach einer zahnärztlichen Behandlung unter Vollnarkose nicht wieder aufgewacht sind, geben dem Thema eine traurige Aktualität und rücken es in ein größeres öffentliches Blickfeld. Fragen nach der Berechtigung einer Vollnarkose im zahnärztlichen Kontext und möglicher Risiken müssen genau abgewogen werden. Zudem ist zu klären, ob eine Vollnarkose wirklich der richtige Lösungsansatz für Angstpatienten ist. Die ZWP-Redaktion sprach hierzu mit Prof. Dr. Grietje Beck, Direktorin der Klinik für Anästhesie, Rettungsmedizin und Schmerztherapie der HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden und Mitvorsitzende des Interdisziplinären Arbeitskreises Zahnärztliche Anästhesie (IAZA). Frau Prof. Beck, wann ist Ihrer Meinung nach eine Vollnarkose bei einer Zahnbehandlung wirklich gerechtfertigt? Es gibt operationsseitige und patientenseitige Indikationen für eine Vollnarkose. Operationsseitig ist diese gegeben, wenn durch die geplante Behandlung eine allgemeine Aspirationsgefahr besteht oder eine Atemwegssicherung sowie eine lokale Schmerzausschaltung nicht möglich ist und eine Lokalanästhesie oder Sedierung keine optimalen Arbeitsbedingungen für den Arzt bietet.
Der Zahnarzt diagnostizierte vier verlagerte Weisheitszähne, deren operative Entfernung dringend indiziert war. Der Patient war entsetzt. Zum einen litt er unter einer erheblichen Zahnarztangst, darüber hinaus hatte er auch in seinem Bekanntenkreis von beängstigenden Erlebnissen zum Thema Weisheitszahnentfernung gehört. Daher stand für ihn fest, dass er, wenn überhaupt, den ambulanten Eingriff in Vollnarkose durchführen lassen wollte. Der Zahnarzt erläuterte daraufhin das geplante Vorgehen unter Vollnarkose, ohne jedoch auf die risikoärmere Behandlungsalternative einzugehen. Der Anästhesist meldete sich einige Tage vor dem Eingriff telefonisch und führte ein Aufklärungsgespräch durch. Hierbei wurden die mit der Vollnarkose typischerweise verbundenen Risiken besprochen. Am Tag der Operation wurden zunächst eine körperliche Untersuchung und sodann nochmals ein Gespräch durchgeführt, um etwaige noch offene Fragen zu klären.
Kostenübernahme durch Krankenkassen Die Narkosekosten werden nur bei bestimmten Indikationen als Kassenleistung anerkannt. Als Indikation gelten nach heutigem Stand: geistig behinderte Patienten Kinder bis zu einem Alter von 12 Jahren, wenn diese sich nicht anderweitig behandeln lassen Patienten, die zahnärztliche Lokalanästhetika nicht vertragen oder gegen diese allergisch reagieren Im Einzelfall kann ein übermäßiger Würgereiz im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung als Ausnahme für eine Narkose gelten, dies muss allerdings im Einzelfall geprüft werden. Private Versicherungen übernehmen die Kosten einer solchen Behandlung nur, wenn diese auch vertraglich vereinbart worden sind. Daher lohnt sich bei Behandlungen mit Narkose immer auch ein Preisvergleich, um die Kosten zu vergleichen. Risiken Dank moderner computergestützter Überwachungsgeräte und Narkosemittel der letzten Generation ist die Zahnarzt-Vollnarkose als Routineverfahren anzusehen. Besonders, wenn langdauernde Zahnbehandlungen oder chirurgische Eingriffe bevorstehen, die unter Umständen mehrerer Termine in der Zahnarztpraxis bedürften oder behandlungsunwilligen Kleinkindern geholfen werden soll, kann hier die Narkose Abhilfe schaffen.
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Bei langen und schwierigen Eingriffen, aber auch bei der Behandlung von bestimmten Patienten – etwa Kinder und Angstpatienten – ist sie unverzichtbar. In allen Fällen obliegt das letzte Wort für oder gegen eine Vollnarkose den behandelnden Ärzten, also dem Zahnarzt, dem zuständigen Anästhesisten oder dem Hausarzt. Sie wägen das Verhältnis von Nutzen und Risiken eines zahnmedizinischen Eingriffs unter Vollnarkose sorgfältig und immer mit Blick auf den Patienten ab. Schwierige oder belastende Eingriffe Die Vollnarkose kann die richtige Entscheidung sein, wenn zahnmedizinische Operationen tiefgreifend sind, lange andauern oder im Vorfeld nicht exakt eingeschätzt werden können. Auch die Sanierung eines kompletten Ober- oder Unterkiefers (oder womöglich beider Kieferhälften) kann in einem einmaligen Eingriff unter Vollnarkose oft ein schonenderes Vorgehen sein als die monatelange Behandlung eines stark kariösen Kiefers. Eingriffe, deren Verlauf durch ihre Größe schwer abzuschätzen ist oder die für den Patienten sehr belastend sein können, sind unter Vollnarkose ebenfalls besser durchzuführen.