Auf diese Weise werden Informationen beschafft, sortiert, bewertet, geordnet und vor Gericht und Leserschaft gebracht. Hier aber, in der Eröffnungsgeschichte von "Kaffee und Zigaretten", ist der Erzähler selbst der Gegenstand. Er erfindet sich mit dieser Handvoll suggestiver Szenen und Handlungen selbst, schafft ein Bild für sich und andere. Zugleich muss der Leser aus zu wenigen berichtenden und auch poetisch vorgetragenen Elementen zu viel konstruieren. Es geht eben nicht um ein juristisch aufzuklärendes zweckorientiertes Handlungsgefüge, sondern um eine offene, existenzielle Situation, über die der Erzähler, weil es seine ist, potenziell unendlich viel weiß oder sagen könnte. Warum zieht er es dagegen vor, uns mit vier kurzen Exempla und einer pars pro toto Erzählstrategie abzuspeisen? Nun, Schirach beruhigt sich und uns, lenkt von der autoritativen Anmaßung der Selbstinszenierung ab, indem er lediglich lakonisch knapp von sich spricht. Bescheiden wirkt das trotzdem nicht, der Gehalt der Autofiktion wiegt zu schwer: Sinnskepsis, Trauer, Depression dominieren, Möglichkeiten der Lebensbewältigung stehen auf dem Spiel.
Ferdinand von Schirachs Erzählungsbände »Verbrechen« und »Schuld« und seine Romane »Der Fall Collini« und »Tabu« wurden zu millionenfach verkauften internationalen Bestsellern, die bisher in mehr als 40 Ländern erschienen sind. Sein erstes Theaterstück »Terror« wurde parallel am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt. Schirach wurde mit mehreren – auch internationalen – Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kleist-Preis. Seinen Erfolg erklärt die französische LIBÉRATION so: »Schirachs Meisterleistung ist, uns zu zeigen, dass – egal wie monströs dessen Taten zunächst scheinen mögen – ein Mensch doch immer ein Mensch ist. « Ferdinand von Schirach lebt in Berlin.
»Seine kühlen, klaren Texte wirkten wie mit dem Meissel gehauen. Trotzdem berührten sie stärker als alles, was auf Rührung aus war. Seine Geschichten waren nur wenige Seiten lang. Trotzdem erzählten sie mehr über Leben und Tod als manch weitschweifender Roman der deutschen Gegenwartsliteratur. «, NZZ Folio Published On: 2014-02-03 »Diese Geschichten sind deswegen so ergreifend, weil der Erzähler kontrolliert jegliches Pathos vermeidet. Seine kühle Prosa ist die literarische Entdeckung des Jahres. «, Abendzeitung Published On: 2009-12-24 »Wer einem Nichtjuristen die Welt und das Wirken eines Strafverteidiger näher bringen will, dem sei unbedingt Ferdinand von Schirachs Verbrechen ans Herz gelegt. Nicht nur wegen der klaren, präzisen, schönen Sprache, mit der er seine Geschichten komponiert. Sondern auch, weil man nur selten eine literarisch so gekonnte Auseinandersetzung mit dem Schuldprinzip des deutschen Strafrechts findet. Schirach ist ein außergewöhnliches Buch gelungen, für Juristen und Nichtjusristen gleichermaßen.
Aus dem Alltag eines Strafverteidigers - Ferdinand von Schirach über sein Buch "Verbrechen" (3/3) - YouTube
Doch war es wirklich so? "Die Wirklichkeit, von der wir sprechen können, ist nie die Wirklichkeit an sich", zitiert von Schirach Werner Heisenberg. Um diese Vielschichtigkeit einer Tat geht es ihm. Was ist Schuld? Sie beschreibt er nüchtern, wortkarg und immer so, dass der Leser am Ende Verständnis, fast Mitleid mit dem Täter hat. "Sie irren", wirft von Schirach lächelnd ein. Er will erklären, nicht rechtfertigen und erwähnt Max Alsberg, den so großen wie schillernden Strafverteidiger der Weimarer Republik. Alsberg, der den linken Carl von Ossietzky genauso verteidigte wie den rechten Hugo Stinnes, bevorzugte den Strafprozess, weil es in ihm um die Problematik der Wahrheits- und Rechtsfindung geht. Ferdinand von Schirach, heute 45 Jahre alt, ist dem jüdischen Staranwalt, der 1933 Selbstmord beging, in dieser Frage nah. "Alsberg warnte stets vor den Verlockungen der vorschnellen Wahrheit. Wenn ein Polizist mich dabei beobachtet, wie ich mich über Ihren toten Körper mit einem blutigen Messer beuge, das in Ihnen gesteckt hat – war ich dann der Täter, oder habe ich das Messer einige Sekunden zuvor nur aus Ihrem Leib herausgezogen?
Über Ferdinand von Schirach Ferdinand von Schirach, geboren 1964, arbeitet als Strafverteidiger und Schriftsteller in Berlin. Ferdinand von Schirachs Erzählungsbände »Verbrechen« und »Schuld« und seine Romane »Der Fall Collini« und »Tabu« wurden zu millionenfach verkauften internationalen Bestsellern, die bisher in mehr als 40 Ländern erschienen sind. Sein erstes Theaterstück »Terror« wurde parallel am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt. In seinen Essays und Reden äußert er sich regelmäßig zu großen gesellschaftspolitischen Themen. Schirach wurde mit mehreren – auch internationalen – Literaturpreisen ausgezeichnet, unter andere mit dem Kleist-Preis. Webseite des Autors: Facebookseite des Autors: Die Presse über Ferdinand von Schirach Der Spiegel nannte ihn einen »großartigen Erzähler«, die New York Times einen »außergewöhnlichen Stilisten«, der Independent verglich ihn mit Kafka und Kleist, der Daily Telegraph schrieb, er sei »eine der markantesten Stimmen der europäischen Literatur«.
E s gibt ein Faust-Fragment von Lessing, in dem der Geist dem Faust auf die Frage: "Was ist das Schnellste auf Erden? " die Antwort erteilt: "Der Übergang vom Guten zum Bösen". Ferdinand von Schirach würden diese Worte gefallen; womöglich kennt er sie sogar. Seit Jahren beschäftigt sich der Berliner Strafverteidiger mit diesen zwei Seiten im Wesen der Menschen. Gut und Böse faszinieren ihn genauso wie die Frage von Schuld und Unschuld. Doch nicht nur im juristischen Sinn. Wer von Schirach über Tat und Täter sprechen, debattieren, Gründe und Gegengründe wägen hört, der bemerkt, wie umfassend der Mann über die menschliche Abgründe nachgedacht hat. "Ich verteidige nicht die Tat. Ich verteidige stets nur den Menschen", sagt er und zieht an seiner Zigarette. "Mich interessiert die Frage der Schuld. Ist sie so offensichtlich, wie es zunächst erscheint? " Wenn ein Verbrechen begangen worden sei, dann ist es geschehen. Auch die Schuld sei dann im moralischen Sinne klar. "Doch die Schuld kann nur beurteilt werden, wenn man den Menschen und seinen Lebensweg betrachtet.
Die weiteren Folgen sind am Donnerstag, 5. September, und Freitag, 6. September, ab 22. 25 Uhr zu sehen. Das könnte Sie auch interessieren Diese Beitragsliste überspringen SCHULD nach Ferdinand von Schirach Diese Beitragsliste überspringen
»Dieser Schriftsteller ist ein Glücksfall für die deutsche Literatur heute: ein Mann, dessen Kenntnisse und Lebenserfahrung weit über den Literaturbetrieb hinausgehen, der glänzend zu erzählen versteht und frei ist von jener maßlosen Selbstbesessenheit vieler deutscher Autoren, die deren Bücher oft so unendlich fade macht. « Focus »Schirachs Meisterleistung ist, uns zu zeigen, dass – egal wie monströs dessen Taten zunächst scheinen mögen – ein Mensch doch immer ein Mensch ist. « Libération, Paris Ferdinand von Schirach im Gespräch mit Richard David Precht über das Böse im Menschen (Dauer: ca. 45 Minuten) Verfilmungen Zahlreiche seiner Werke (Romane wie auch Kurzgeschichten) wurden verfilmt. So beispielsweise Auszeichnungen Von Schirachs Werk wurde vielfach – auch international – ausgezeichnet: 2010: Stern des Jahres für Literatur der Münchner Abendzeitung 2010: Kleist-Preis für seinen Erzählband 'Verbrechen' 2011: Berliner Bär (B. Z. -Kulturpreis) für Literatur 2012: Honya Taishō – Großer Preis der Buchhändler Japans in der Kategorie "Übersetzungen" bzw. "internationale Literatur" 2014: Finalist Los Angeles Times Book Prize 2014: Honya Taishō – Großer Preis der Buchhändler Japans in der Kategorie "internationale Literatur" für 'Der Fall Collini' (2.