Wer hat's erfunden? Die Schweizer. Und was genau? Einen 450 Kilometer langen Tunnel, der bereits im Jahr 2045 quer durch das ganze Schweizer Mittelland führen und damit die zunehmend verstopfenden Autobahnen entlasten soll. "Hier steht man jeden Morgen im Stau", sagt Gabriele Guidicelli und zeigt auf der Landkarte den Rand des Schweizer Jura-Gebirges, wo sich die Autobahnen A1 und A2 treffen. "Da kriechen die Lastwagen hintereinander her, verstopfen komplett die rechte Fahrspur", klagt der Mann. Und das sei nur einer von vielen kritischen Verkehrsknoten in der Schweiz, jetzt drohe Stillstand. Denn: "Der Transport von Gütern wird bei uns bis 2030 um mehr als 40 Prozent zunehmen", so Guidicelli. Der 55-Jährige will den Kollaps verhindern – mit einem revolutionären Verkehrsrezept. Ingenieur Guidicelli arbeitet in seinem Büro in Basel daran, den Güterverkehr seines Landes aus dem Gelände zu verbannen und in den Untergrund zu verlagern. Er ist der technische Leiter des Projekts "Cargo Sous Terrain", auf Deutsch: "Güter unter der Erde".
In einem weiten Bogen von Südwest nach Nordost zwischen dem Jura-Gebirge und den Alpen soll der neue Tunnel verlaufen, dort, wo heute schon auf Fernstraßen und Bahntrassen die größten Warenströme fließen: von Genf über LausanneBern und Zürich bis nach St. Gallen. Dabei soll es von dieser Hauptachse Abstecher nach Thun, Basel und Luzern geben. "Eine Verbindung nach Süden ins Tessin ist nicht vorgesehen", erklärt der Baseler Projektleiter, "dafür gibt es ja den neuen Gotthard- Tunnel, den unser Partner SBB Cargo nutzt. " Dabei handelt es sich um das für den Güterverkehr zuständige Tochterunternehmen der Schweizerischen Bundesbahnen. 20 bis 50 Meter unter dem Mittelland soll das neue Höhlensystem entstehen, eine Röhre mit sechs Meter Durchmesser. In ihrem Inneren, so der Plan, werden Lieferkabinen auf Rädern fahren, mit je zwei Paletten bestückbar. Jedes dieser Vehikel wird elektrisch angetrieben und über Induktion mit Energie versorgt. Es wird sich schienenlos und automatisch bewegen, allein oder im Konvoi.
Die Plätze an Bord der ersten Züge waren im Vorfeld verlost worden. Passagiere twitterten Fotos von der Fahrt durch den Tunnel: Der rund 11 Milliarden Euro teure Gotthard-Basistunnel ist das Herzstück der "Neuen Eisenbahn-Alpentransversale". Mit diesem europäischen Großprojekt sollen weite Teile des Güterverkehrs zwischen dem Nordseehafen Rotterdam und Genua am Mittelmeer von der Straße auf die Schiene verlegt werden. Der deutsche Teil des Projekts fehlt noch. Bahnchef Rüdiger Grube hat die Verzögerungen beim Ausbau der Zubringerstrecken am Mittwoch im Schweizer Fernsehen verteidigt. Es habe 170. 000 Einwendungen von Anwohnern, Gemeinden und Landkreisen gegeben. "Wir wollen die Bevölkerung mitnehmen", sagte Grube. Icon: Der Spiegel